An diesem Sonntagmorgen vor genau einem Jahr hat sich unsere Welt wortwörtlich über Nacht mit einer radikalen Konsequenz gewandelt, die mich die volle Tragweite dessen nur ahnen hat lassen, dass unser Leben nie mehr so sein würde wie bis zu diesem Moment, als in der Nacht plötzlich die Polizei an unserer Haustüre läutete…
Hans, vor genau einem Jahr hast Du Dich über die Berge auf die Reise in die andere Welt gemacht. In unserem Trauerjahr um Dich, durch Dich, mit Dir sollte Vieles an die Oberfläche steigen, nicht nur unsere Trauer um Dich. Ein intensives, herausforderndes, anstrengendes Jahr des gemeinsamen Wachsens liegt hinter uns. Manchmal fürchtete ich, dass mir die Kraft für all das ausgehen könnte, was Dein plötzlicher Tod in mein Leben katapultiert hatte.
Durch Deinen Tod haben sich die Weichen in unserem Leben neu gestellt. Jene Themen, die unsere Beziehung vor acht Jahren letztendlich zum Scheitern gebracht haben, wollten aus vielerlei Richtungen nochmals angeschaut, erkannt und damit auch gelöst werden. Wir haben gemeinsam um Dich geweint in diesem Jahr und wir sind gemeinsam sehr gewachsen in diesem Jahr.
Vor einem Jahr stand Dein VW-Campingbus an diesem Sonntagmorgen alleine und verlassen am Fuße des Staufens, während die Bergwacht Deine körperliche Hülle aus dem Goldtropfsteig barg. Am Samstagmittag hattest Du Dich damit auf Deine letzte Fahrt in diesem Leben gemacht. Dieser VW-Bus war Dir sehr wichtig gewesen in Deinem Leben. So wichtig, dass Du ihn unserer Lisa nicht leihen wolltest. Auch, weil Du ihr nicht zugetraut hast, dass sie mit der etwas anspruchsvollen Schaltung klar kommen würde. Dass ich jemals eine Nacht in Deinem Campingbus verbringen würde, welchen Du Dir nach unserer Scheidung gekauft hattest, auf diesen Gedanken wäre ich nie gekommen.
Als Lisa und ich gestern Abend mit Deinem VW-Campingbus aus dem Mühlviertel heimgefahren sind, da haben wir Deine Präsenz bei uns im Bus gespürt. Ja, Du darfst wahrlich stolz auf Deine Große sein! Sie ist eine absolut würdige Erbin für Deinen Bus. Ich hab in diesen zwei Tagen, in denen uns Dein Camper Daheim war für unsere Ausbildungseinheit zu Natur- und Landschaftsvermittlerinnen, die Liebe erlebt, mit welcher Lisa Deinen Bus hegt und pflegt. Sie hat Deine Leidenschaft fürs Autofahren geerbt, das ist offenkundig, aber glücklicherweise nicht das Tempo, mit dem Du diese Leidenschaft in Deinem Leben all die Jahre ausgelebt hast.
Für mich war diese erste Nacht in Deinem Camper an genau diesem Wochenende, an dem Du Dich das letzte Mal damit auf den Weg gemacht hattest, eine spezielle Erfahrung. Sie hat mir deutlich aufgezeigt, dass Vieles in unserem Leben anders kommt, als wir meinen, es selber bestimmen zu können mit unserem Verstand, unserem Kopf. Ich weiß, dass unsere Seelen nach dem körperlichen Tod an jenen Prozessen weiterarbeiten, die sie im Leben auf der Erde nicht erledigt haben. Die Anderswelt ist eine Welt, die uns das Geschenk des Wachstums unserer Seelen genauso macht wie das Menschenleben auf der Erde.
Hans, ich wünsche Deiner Seele, dass sie diese durch sie selber ausgelöste Entwicklung gut annehmen kann, dass mich unsere Lisa nun hin und wieder mit auf die Reise nehmen wird mit „ihrem“ Camper. Auch wenn dieser offiziell zu Lisas Bus geworden ist, so wird er in unseren Herzen doch immer Dein Campingbus bleiben…