Glückspilz oder Männlein, allein im Wald…

Manchmal gibt uns das Leben Rätsel auf. So ist es auch mit dem bekannten Kinderlied „Ein Männlein steht im Walde“. In der ersten Strophe deutet alles auf den Fliegenpilz hin, doch das schwarze Käppelein in der zweiten Strophe stellt dann klar, dass die Hagebutte gemeint sein dürfte. Das aber wirft schon die nächste Frage auf für mich, denn wieso soll die Hagebutte, eine von ihrer Symbolik her durch und durch weibliche Frucht, die Herbstgestalt der Rose, plötzlich ein Männlein sein?

Schon seit Jahren erlebe ich eine Faszination für den Fliegenpilz. Bisher hat er mich zwar immer wieder aus der Ferne gelockt, doch mich noch nie wirklich zu sich gerufen. Sah ich Fotos von Fliegenpilzen im Internet, so spürte ich den magischen Sog des Fliegenpilzes auf mich. War ich im Herbst im Wald unterwegs, hoffte ich insgeheim, irgendwann einen Fliegenpilz zu finden. Nicht zum Pflücken, sondern zum Fotografieren. Nicht zum Essen, sondern zum Eintauchen in die Aura des Fliegenpilzes. Doch wie das öfters im Leben vorkommt: Manches dauert länger, als wir meinen würden. Manches kommt auch gar nie oder vielleicht ganz anders, als wir gehofft hatten.

Das mit dem Fliegenpilz und mir, es hat lange gedauert. Das Buch „Der Fliegenpilz – geheimnisvoll, giftig und heilsam – Die Wurzeln von Mythen, Märchen und Religionen“ steht schon seit Jahren in meinem Bücherregal. Ungelesen bisher, und doch schon die ganze Zeit über anwesend in meinem Leben. Seit gestern Abend liegt es lesebereit hier neben mir am Tisch. In meinem Räucherregal befinden sich ein paar Fliegenpilze, die von hoffentlich nur unachtsamen Wanderern zu Fall gebracht worden waren, zum Trocknen. Und auf meiner Festplatte hüte ich seit diesem letzten Septembertag 2017 den besonderen Schatz, welchen mir der Fliegenpilzgeist gestern endlich anvertrauen wollte: Fliegenpilzfotos!

Da sich das Glück bekanntlich verdoppelt, wenn frau es teilt, darf ich Euch auf diese Weise nun an meinem Glücksgefühl teilhaben lassen. Ganz direkt geteilt hab ich mein Glück gestern mit meinem Sohn Johannes. Mit ihm gemeinsam hab ich mich auf den Weg ins Weidmoos gemacht, nachdem mir der Fliegenpilzgeist über facebook die Nachricht zukommen hatte lassen, dass er sich an diesem einzigartigen Platz sichtbar manifestiert hat. Wir waren schon fast die ganze Moorrunde gegangen, hatten immer wieder die Nebenwegerl abgesucht, doch außer einigen Speitäublingen kein roter Pilz weit und breit.

Mein Sohn war es, der die ersten drei etwas abseits vom Weg entdeckt hat. Während ich diese mit Hingabe und Leidenschaft von allen Seiten bestaunt und fotografiert habe, machte Johannes die nächsten rotgetupften Entdeckungen. Da waren sie, endlich! Da standen sie, direkt am Weg, gar nicht zu übersehen, einer sogar riesig groß und herzförmig und doch wollten sie von uns gesucht werden. Wären wir die Moorrunde umgekehrt gegangen, so wären sie uns schon auf den ersten Metern des Weges begegnet. Doch so direkt ist das Leben meist nicht und es ist gut so, wie es gekommen ist, denn die Zeit zuvor war wichtig, war kostbar, war schön, war bereichernd für mich und für Johannes.

Johannes erlebte und spürte, welch eine Freude ich mit dieser Fülle an unterschiedlichen Fliegenpilzen hatte, die alle nur darauf zu warten schienen, dass ich sie endlich fotografiere. Daheim folgte dann sein fachmännisches Resümee: „Ein Mann braucht keinen Haufen Geld und kein dickes Auto, um meine Mama glücklich zu machen – sondern nur die richtigen Pilze!“

Und dazu auch noch die richtige Musik. Experimentelle Volksmusik zum Beispiel, wie sie mir „D’Salzburger Nockerl“ gestern Abend als süße Zugabe für diesen besonderen Samstag serviert haben. Vor einigen Jahren hab ich von ihnen zum ersten Mal auf Radio Salzburg gehört, mich aufgrund dessen, was Hubert Brunauer zu erzählen hatte über traditionelle und neue Volksmusik, für seinen Newsletter angemeldet. Obwohl es viele ungelesene Newsletter auf meinem Laptop gibt, sollte sich der Salzburger Nockerl-Newsletter am Donnerstag nicht dort einreihen. Sondern mir bewusst machen, dass die Zeit gekommen war, sie endlich auch live erleben zu dürfen anlässlich ihres Konzerts in unserer Nachbargemeinde. Erfüllt von einem besonderen Konzertabend kaufte ich mir die beiden CDs. Daheim angekommen schaute ich mir diese näher an. Doch was stand da unübersehbar auf dem Cover von „frei verwurzelt“ – ein Fliegenpilz!

Das sind die Momente in meinem Leben, wo ich ganz tief in mir drinnen spüre, wie geführt mein ganzes Leben ist. Wie alles, was kommt oder nicht kommen soll, Sinn macht, eine Bedeutung für mich hat und Teil des großen Ganzen ist, das sich „mein Leben“ nennt.

 

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